Life is an Adventure...!

25. 04.2015.
Ich, in Samoa, in meiner Strandfale. Tagesablauf bestehend aus Dösen, Lesen, Schwimmen, Schnorcheln und Kokosnuss schlürfen. In abwechselnder Reihenfolge. Mehrmals am Tag.

In einem anderen Teil der Welt erzittert die Erde und veränderte das Leben von Millionen.

Obwohl Tausende Kilometer entfernt brachte des Erdbeben in Nepal auch mein idyllisches Strandleben durcheinander.

'Geh nicht. Du bist verrückt. Cancel deine Flüge. Es hat doch keinen Sinn....'

Diese Worte erreichten mich häufig in den ersten Tagen nach dem Beben. Der Plan am 14.05. nach Kathmandu zu fliegen und zwei Tage später ein 12-tägiges Trekking zu starten war längst mit Flugbuchungen und Anzahlung für den Trek besiegelt.

Mit meinem Handy und mobilem Internet versuchte ich mühselig an Informationen zu kommen. Die Nachrichten waren Katastrophal, die Anzahl der Toten stieg mit jedem Tag und Kathmandu bzw. ganz Nepal schien nur noch aus Schutt, Geröll und obdachlosen Menschen zu bestehen. Touristen versuchen so schnell es geht aus dem Land auszufliegen, Großbritannien riet dazu alle Trips nach Nepal zu canceln.

Und ich saß in meiner Fale und hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Trip canceln? Obwohl das meiste bezahlt war und ich mich wahnsinnig drauf gefreut hatte?

Eine E-Mail an meine Touragency und Antwort wenige Tage später nahm mir ein bisschen die Angst, versicherte mir, dass die Annapurna Region nicht betroffen ist und in Kathmandu langsam wieder "Normalität" eintritt. Wirklich beruhigt hat mich das aber noch lange nicht.

Zwei Wochen später war das paradiesische Inselleben vorbei und ich flog noch Melbourne. Besseres Internet. Ich recherchierte weiter und versuchte einen Plan B zu gestalten. Flüge canceln und stattdessen nach Nordthailand/Laos, nach Sri Lanka oder Istanbul. Sprach mit Freunden (die liebe Nora, mit der ich zusammen auf dem Campingplatz in Wanaka lebte und mein alter Bekannter Brad) und fragte sie nach ihrer Meinung. Doch letztendlich wusste ich natürlich, dass mir keiner die Entscheidung abnehmen kann.

Nach 4 Tagen ging der nächste Flug. Mit AirAsia (was auch sonst?!) ging es nach Kuala Lumpur. Meine Sitznachbarn entschieden sich schon vor dem Start umzusetzen und mir eine komplette Sitzreihe zu überlassen. Herrlich! Habe tatsächlich die meiste Zeit des 9-stündigen Fluges geschlafen....

Angekommen am 10.05. wurde eine Entscheidung, ob ich nach Nepal fliege oder nicht dringend fällig. Ich entschied mich für Nepal.
Bis mich die Nachricht von einem heftigen Nachbeben erreichte und wieder all die besorgten Nachrichten von euch in mein Postfach trudelten.
Während ich also durch Kuala Lumpur shoppte und von einer kulinarischen Köstlichkeit zu nächsten spazierte stand ich wieder vor der gleichen Frage. Nepal oder nicht Nepal. Ich schrieb eine Nachricht an meine Touragency und die versicherte mir, dass sie gerne bereit sind meinen Trek zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. Immer noch hin und her gerissen, flehte ich innerlich, dass mir doch jemand Zeichen schickt, was die richtige Entscheidung ist. Und dann lief ich hieran vorbei:

Ein Zeichen? Am 14.05. Tag des Abfluges versuchte ich mein Ticket mit Malindo Air von KL nach Kathmandu online zu stornieren und bekam die Meldung, dass eine Ticketstornierung 24 Stunden vor Abflug nicht mehr möglich ist. Und da hat es klick gemacht. Ich dachte mir: f u c k  y o u  a l l , life is an adventure. Ich steige nachher ins Flugzeug und fliege verdammt noch mal nach Nepal.
Ich schrieb meiner Tour Touragency, dass ich nun doch komme, und das sie mich doch bitte nachher vom Flughafen abholen sollten. Prompt reply: yes, no problem! Eine riesige Last viel von mir ab und ich bejubelte meine Entscheidung. Schnell Sachen gepackt, ausgecheckt und ab zum Flughafen.

Es war ein interessanter Flug.
An Board waren zwei westliche Touristen (ich und noch ein Hansel) und von den Stewardessen abgesehen insgesamt zwei Frauen (ich und eine Malaysierin, die zu einem Medical Team gehörte). Mein zugewiesener Sitzplatz war belegt und der Typ hat mich nur verständnislos angeblickt als ich versuchte es ihm mitzuteilen, dass er auf einem falschen Platz sitzt. Whatever. Sobald ich mich bewegte waren alle Blicke auf mich gerichtet. Jemand telefonierte beim Take-off. Die Menschen an Board wussten nicht, dass man das Toilettenpapier ins Klo werden darf und warfen alles neben die Toilette. Teilweise dachte ich ehrlich gesagt schon: ach du kacke, auf was hast du dich eingelassen?!

Am Flughafen in Kathmandu standen unzählige Frachtmaschinen und Paletten mit Hilfsgütern rum. Der Mann am Touristenvisaschalter musste aufgeweckt werden. Das Gepäck ließ 60 min auf sich warten. Am Ausgang stand ein Mann mit meinem Namen auf einem Schild. Juhu. Alles wird gut.

Ab ins Auto und zum Hotel. Es war schon kurz vor Mitternacht und im Dunkeln sah Kathmandu aus wie fast jede Stadt in Südostasien. Bisschen Müll und Schutt hier und da und kaputte Straßen. Einzige Änderung war, dass Zelte am Straßenrand standen.

Die Nacht im Hotel hatte ich meinen kleinen Rucksack mit meinen Wertsachen neben mir stehen und schlief halb angezogen, auch der Weg zum Notausgang war eingeprägt. Ganz unbekümmert war ich natürlich nicht.

Nach einem ausgiebigem Hotelfrühstück (es gab Käse!) wurde ich abgeholt und durch die wirren Gassen von Thamel, Kathmandus Touri- Viertel, zu meinem Trekking Office geführt. Dort lernte ich endlich den Managing Director Nava kennen, der meine unzählige Mailflut immer gewissenhaft beantwortet hatte und meinen Trek organisieren sollte. Da die geplante Trekkinggruppe leider nur noch aus mir bestand, musste beratschlagt werden, ob ich nun alleine losziehe oder auf ein Pärchen warte, das ein paar Tage später ankommt und auf deren Erbarmen hoffe, dass sie mich aufnehmen.

Für den nächsten Tag hatte Nava eine Verteilungsaktion von Hilfsgütern geplant und lud mich ein ihn und sein Team zu begleiten.

Ohne in den Genuss eines Käsebrotes zu kommen wurde ich um 5:30 Uhr vom Hotel abgeholt, in einer Staatskarosse. Nava war in seiner Funktion als Konsul von Estland unterwegs. Mit Hilfe von Spendengeldern hatte er Reis, Mais, Öl, Beton gekauft, dass jetzt unter die Leute gebrach werden sollte.

Umso weiter wir aus Kathmandu raus fuhren, umso mehr wurden die Ausmaße der Katastrophe sichtbar. Ein zerstörtes Haus folgte aufs nächste.
5 Stunden dauerte die Fahrt. Für vielleicht 150 km. Kein Wunder, dass viele Dörfer von Helfern nicht erreicht werden konnten. Die Straßen sind teilweise in wirklich sehr schlechten zuständen, (und zu Hause beschweren sich Menschen über den Zustand der B73?!) die letzten km hätte ich sogar Odysseus mit seinem Vierradantrieb stehen gelassen... Irgendwann ging es auch bei uns nicht mehr weiter, kein Durchkommen mehr für Staatskarosse und Truck. Die Dorfbewohner, für die die Lieferung bestimmt war mussten deshalb eine Stunde von ihrem Dorf zu unserer Verteilerstelle laufen.

Bis alle Dorfbewohner zusammen kamen, saßen die Frauen rum und rauchten, die Kinder tobten und die Männer luden die Hilfsgüter vom Truck. Obwohl diese Menschen Angehörige verloren hatten und in Zelten und Kuhställen seit dem Beben hausten, war die Stimmung erstaunlich positiv. Nach einer kurzen Ansprache von Nava war dann auch so gut wie alles vorbei und wir machten uns auf den strapaziösen Rückweg nach Kathmandu.

Trotz des kurzen Aufenthaltes und der sehr langen Fahrt war ich froh Navas Einladung gefolgt zu sein. In Kathmandu hat man den Eindruck, dass alles gar nicht so schlimm war, wie von den Medien beschrieben, erst die Fahrt durch die Dörfer zeigt die wahren katastrophalen Ausmaße des Erdbebens. Am schlimmsten betroffen sind die armen Menschen. Hat man Geld, baut man sich ein stabiles Haus. Hast du kein Geld, wohnst du in einem Haus aus aufgeschichteten Backsteinen die mit einem Gemisch aus Kuhmist, Asche, Wasser und Sand verklebt werden. Klar das dies einem solchen Beben nicht stand halten kann....

Nächsten Tag klärte sich endlich mein Trekkingvorhaben, das philippinische Pärchen erklärte sich einverstanden mit mir den ABC zu laufen! Yay, war wirklich happy, nicht alleine mit einem Guide aufbrechen zu müssen. Des weiteren ersparte mir das einige hundert Dollar, was mir natürlich ebenfalls gelegen kam. Den Rest des Tages verbrachte ich mit shopping. Outdoorgear shopping. Und hunderte von Läden zur Auswahl. Originales Equipment oder qualitativ top Fälschungen. Alles was das Herz begehrt. Geil!

Mit leerem Magen, weil schon wieder Frühstück verpasst und mir mein vom Hotel bereitgestellter Frühstückssaft frech geklaut wurde, aber vollem Rucksack und Top ausgestattet ging es nächsten morgen um 7 Uhr mit dem Touribus von Kathmandu nach Pokhara. Google Maps sagt die Strecke beträgt 213 km. Wir haben über 7 Stunden für diese 213 km benötigt. Sieben!

Nächsten Tag ging es endlich los! Annapurna Bace Camp Trek. 12 Tage wandern. Infos und Bilder im nächsten Blog Post.


Wie hättet ihr euch entschieden? Nepal oder nicht Nepal?


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Kommentare: 2
  • #1

    Daniel (Donnerstag, 04 Juni 2015 12:48)

    Hi Jen, ich hätte mich genauso entschieden, für Nepal, keine Frage !
    Ich hätte Angst gehabt aber ist nicht das ganze, kurze Leben ein Abenteur ? :-)
    Fast jeder von uns steigt fast täglich in ein Auto, raucht, säuft, frisst und arbeitet viel zu viel - das sind die Risikofaktoren Nr.1
    Du bist die Reiseerfahrendste von uns allen und die Mutigste...
    Wir sehen uns in ca. 1 Woche und darauf freue ich mich !
    Bleib vorsichtig

  • #2

    Heiko (Dienstag, 09 Juni 2015 22:52)

    Also ich kann mich dem überhaupt nicht anschliessen. Es geht hier um kalkulierbare Risiken und das kannst Du hier nicht. Für mich war die Aktion nur dumm. Ich würde mich auch nicht zwei Tage später an einen Ort begeben wo es eine Katastrophe gab nur weil es auf meiner Reiseroute liegt...